Jetzt surren sie wieder. Zu Tausenden fliegen Drohnen über Seen, Berglandschaften, öffentliche Plätze. Gesteuert werden sie häufig von Hobbypiloten, die ihre Luftaufnahmen manchmal gleich ins Internet stellen. Das Geschäft mit Drohnen boomt seit Jahren. Schon 2017 soll es in Schweizer Haushalten geschätzte 100 000 Drohnen gegeben haben. Inzwischen dürften es einige mehr sein. Ein wesentlicher Grund sind die Preise. So sind Einsteigermodelle mit eingebauter Kamera schon für unter 200 Franken zu haben.

Was den einen ihr Freizeitvergnügen, provoziert den Ärger der anderen. Manchen raubt das Gesurre über ihren Köpfen den letzten Nerv. So auch den Pächtern des beliebten Gasthauses Aescher im Appenzeller Alpsteingebiet. Sie beklagten sich unlängst gegenüber den Medien über die alltägliche Ruhestörung rund um ihren touristischen Hotspot. Die Flüge begännen oft schon frühmorgens und stiessen auch bei Gästen auf Unmut. Die Wirtsleute sind überzeugt: Nur ein regionales Flugverbot könne echte Abhilfe bringen. Ein solches wollen sie nun beim Kanton einfordern.

Was ohne Bewilligung geht

Grundsätzlich ist es erlaubt, mit Drohnen über öffentlichem Grund zu fliegen. Auch touristische Stätten und historische Bauten dürfen dabei gefilmt werden. Eine Bewilligung braucht es nicht, diese ist erst für Geräte ab 30 Kilogramm Pflicht.

Dennoch gibt es rechtliche Schranken. So müssen Drohnenpiloten stets Sichtkontakt zu ihrem Flugobjekt haben und dürfen nicht in der Nähe von Blaulichteinsätzen fliegen.

Verboten sind unbewilligte Flüge zudem:

— Im Umkreis von 5 Kilometern rund um Flugplätze und Heliports sowie solche höher als 150 Meter über Grund in den Kontrollzonen von Flughäfen.

— Näher als 100 Meter von Menschenansammlungen. Gemeint sind Gruppen ab zwei Dutzend Personen. Auch das Überfliegen ist untersagt. Selbst wer ein privates Hochzeitsfest mit Drohnenvideos verewigen will, braucht eine Bewilligung des Bundesamts für Zivilluftfahrt. Diese sei relativ schnell, innerhalb von rund zwei Wochen, zu bekommen, sagt Sprecher Christian Schubert.

Rechtlich auf dünnem Eis

Viele Amateure lassen ihre Fluggeräte einfach in der Umgebung ihres Wohnorts steigen, um diese auszukundschaften. Doch auch das birgt Konfliktpotenzial. So beklagte sich eine Leserin unlängst über ihre neuen Nachbarn, die ihre Drohne bei schönem Wetter regelmässig zwischen den Häusern und entlang der Fassaden herumsausen liessen. Wenn sie mit dem Hund rausgehe, sehe sie sich gedrängt, mit eingezogenem Kopf über die Wege zu eilen, um dem Schwirren auszuweichen.

Mit solchem Gebaren bewegen sich Drohnenpiloten rechtlich auf dünnem Eis. Manch einer ist sich nicht bewusst, dass er damit riskiert, die Persönlichkeitsrechte anderer zu verletzen. Dies gilt vor allem, wenn man eine Drohne relativ tief fliegen und filmen lässt, was bei kleineren Drohnen üblich ist.

Wer eine Person aufnimmt, sodass sie erkennbar ist, braucht deren Einverständnis. Ob die Bilder auf privatem oder öffentlichem Grund gemacht werden, spiele grundsätzlich keine Rolle, sagt der Basler Rechtsanwalt Jascha Schneider-Marfels.

Lichtet jemand eine Privatperson gegen ihren Willen ab, verstösst er gegen das Datenschutzgesetz. Dringe ein Drohnenpilot gar in Bereiche ein, zu denen er keinen Zutritt habe, mache er sich allenfalls strafbar, sagt Silvia Böhlen, Sprecherin des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten.

Niemand muss es sich also gefallen lassen, im eigenen Garten, auf dem Balkon oder gar vor dem Schlafzimmerfenster gefilmt zu werden. Nur: Wie wehrt man sich dagegen?

— Gespräch suchen: Zuerst sollte man den Urheber der Persönlichkeitsverletzung ansprechen, sagt Silvia Böhlen. Betroffene könnten verlangen, dass er das Filmen unterlasse und bereits erstellte Bilder lösche.

— Zivilklage: Bringt dies nichts, kann man ans Gericht gelangen und fordern, dem Piloten künftige Störungen zu verbieten. Das lohne sich aber erst bei groben Verletzungen, sagt der Berner Rechtsanwalt Kurt Moll. Zudem sei eine Zivilklage mit Kosten verbunden, auf denen man im schlechten Fall sitzen bleibe. Er rät deshalb bei einer akuten Belästigungssituation zur:

— Strafanzeige: Damit könne man es an die Polizei delegieren, die Rechtsverletzung zu ahnden, sagt Moll. Auch wenn dies nicht zum Erfolg führe, riskiere man zumindest keine Kosten.

Das grösste Problem sieht Jurist Moll darin, dass oft nicht bekannt sei, wer eine Drohne steuere. Mangels Registrierungspflicht sei es kaum möglich, dies herauszufinden. Das mache es schwierig, sich mit rechtlichen Mitteln gegen ein Eindringen in die Privatsphäre zu wehren.

Das soll sich ändern: Auf Mitte nächsten Jahres müssen Drohnen registriert werden. Nach Angaben des Bundesamts für Zivilluftfahrt soll dies für alle Modelle ab 250 Gramm gelten. Wie sich die Registrierungspflicht konkret auswirkt, wird sich weisen.

Notwehr erlaubt

Um ihre Privatsphäre zu schützen, dürfen Betroffene auch zur Selbsthilfe greifen. Etwa indem sie eine Drohne einfangen, die über ihren Garten kreist und filmt. Eine Drohne gar abzuschiessen und zu zerstören, geht nach der herrschenden juristischen Lehrmeinung aber zu weit.

Einzelne, so der Basler Rechtsanwalt Jascha Schneider-Marfels, finden indes, man dürfe die Latte für die Selbsthilfe nicht zu hoch ansetzen. «Das Eindringen von Drohnen in die Privatsphäre ist ein Angriff auf die Persönlichkeit. » Und da der Schutz der Persönlichkeit heute viel stärker gewichtet werde als noch vor ein paar Jahren, sei es gerechtfertigt, aus Notwehr eine Drohne auch zu zerstören. Vorausgesetzt, der Angriff lasse sich nicht auf mildere Art abwehren.

Schneider-Marfels sieht seine Sichtweise durch ein Urteil des deutschen Amtsgerichts Riesa vom April bestätigt. Dieses sprach einen Mann vom Vorwurf frei, widerrechtlich eine Drohne zerstört zu haben, die er mit seinem Luftgewehr abgeschossen hatte. Die Drohne war in den durch Hecken eingezäunten Garten des Mannes eingedrungen und wenige Meter über Boden hinter Familienmitgliedern hergeflogen. Ein milderes Mittel zur Abwehr habe es in diesem Fall nicht gegeben, so das Gericht.

Quelle: Andrea Fischer, Tages-Anzeiger vom 8. Juli 2019, S.9